„Das Mindestgebot beträgt 49.000 Euro. Gibt es ein Gebot? Gibt es ein Gebot hier im Saal?“ Mit eindringlicher Stimme wiederholt Auktionator Michael Plettner seine Frage. Doch die erwartete Reaktion bleibt aus. Niemand hebt die Hand.
Dabei handelt es sich nicht um irgendein Objekt, sondern um die Wasserburg Schneidlingen. Dieses denkmalgeschützte Anwesen am Fuße des Harzes umfasst unter anderem einen freistehenden Bergfried, ein Brauhaus, ein Kornhaus sowie ein Kavaliershaus. Insgesamt bieten die Gebäude fast 2000 Quadratmeter Wohnfläche, ergänzt durch über 3000 Quadratmeter Grundfläche. Und das alles für gerade einmal 49.000 Euro.
Doch die Gäste im Auktionssaal wissen, dass das vermeintliche Schnäppchen mit erheblichen Kosten verbunden ist. Zwar wurden in den 1990er-Jahren rund 750.000 Euro in die Sanierung der Burg investiert, doch diese Mittel scheinen versickert zu sein. Der Zahn der Zeit hat weiter an der Substanz genagt: Schädlinge im Holz, eingestürzte Kellerdecken und marode Technik machen umfassende Renovierungen unumgänglich. Ein graumelierter Herr im Saal fasst es zusammen: „Allein die Sanierung kostet Millionen. Und dann erst die laufenden Kosten.“
Ohne ein Gebot endet das Kapitel Schneidlingen vorerst. Auktionator Plettner legt die Wasserburg zur späteren Wiedervorlage beiseite. Ähnlich erging es bereits dem Herrenhaus des Rittergutes Luttowitz nahe Bautzen. Für Plettner bleibt Zeit: Die Auktion der Deutschen Grundstücksauktionen AG (DGA) dauert insgesamt drei Tage.
Ein Blick hinter die Kulissen der Auktion
Im Hotel Abba in Berlin sitzt Ron Hedjazi in der letzten Reihe und blättert konzentriert im Auktionskatalog. Dieser umfasst 135 Immobilien, von denen 60.000 Exemplare im Vorfeld an Stammkunden und potenzielle Käufer verschickt wurden. „Unsere Kundenbasis sichert die Nachfrage, die wir für erfolgreiche Versteigerungen brauchen“, erklärt Plettner, Chef der DGA.
Die aktuelle Marktlage spielt der DGA in die Karten. „Die Angst vor einem Währungsverfall treibt die Nachfrage nach Immobilien, insbesondere im Osten Deutschlands, deutlich an“, so Plettner. Dabei seien nicht nur bekannte Standorte wie Potsdam, Dresden oder Berlin gefragt, sondern auch weniger prominente Objekte.
Hedjazi hat sein Interesse auf das Herrenhaus des Rittergutes Miltitz nahe Meißen gelenkt. Der denkmalgeschützte Bau mit fast 1000 Quadratmetern Fläche sowie einem Grundstück von über 3000 Quadratmetern wird für 9000 Euro aufgerufen. Ohne viel Konkurrenz erhält Hedjazi den Zuschlag für 9500 Euro. „So günstig, da kann man wirklich nichts falsch machen“, sagt der Immobilienmakler, der bereits seit drei Jahren in Berlin tätig ist. Seine Strategie: günstig ersteigern und später mit Gewinn verkaufen.
Vom Barockschloss zur Herausforderung
Doch nicht jedes Anwesen ist für einen schnellen Gewinn geeignet. Das Barockschloss Kummerow in Mecklenburg-Vorpommern ist ein gutes Beispiel. Mit einem Mindestgebot von 95.000 Euro lockt es Interessenten an, doch der Zustand des 300 Jahre alten Bauwerks ist kritisch. Der Landschaftspark, entworfen vom renommierten Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné, und das Schloss selbst, eines der kunsthistorisch wertvollsten Denkmäler der Region, erfordern immense Investitionen. „In vielen Bereichen besteht Einsturzgefahr“, warnt Plettner.
Hedjazi, der selbst ein Schloss etwa 150 Kilometer von Berlin besitzt, schätzt den Aufwand realistisch ein. „Der Unterhalt meines Schlosses ist überschaubar. Aber Kummerow – das sind ganz andere Dimensionen.“
Während immer mehr Anwesen zu Schlosshotels, Konferenzzentren oder Wellness-Oasen umgebaut werden, bleibt eines sicher: Die Erhaltung historischer Bauwerke ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch der Leidenschaft und Vision.